Mille Miglia, revisited.



Kurze Rast am Monte Terminillo, der nicht auf jeder Mille Miglia gefahren werden kann.

Jürgen ist wütend. Sehr wütend sogar.

Es ist bereits der zweite Kotflügel an seinem weissen Seven, dem die engen, notdürftig geflickten Bergstrassen des Apennin die dringend benötigte Haltkraft geraubt und die Edelstahl-Verstrebungen an einer sehr unglücklichen Stelle zerlegt haben.

Verdammt schade, denn so ist die berauschende, mal wieder in einem politisch völlig unkorrekten Tempo bewältigte Auffahrt auf den Monte Terminillo in Sekundenschnelle vergessen.

Alle Wege führen nach Rom. Der schönste über die Strecke der Mille Miglia.

Als würde ich seine wüsten Strassen-Beschimpfungen überhören, blättere ich schuldbewusst durch das abgegriffene Roadbook, mit dem ich bereits vor einigen Jahre Rennfahrerlegende Hans Herrmann im musealen 300 SL über die Mille Miglia begleiten durfte. Schließlich war es meine Idee, anhand dieser Aufzeichnung den 1000 Meilen langen Mythos in unseren extrem kräftig motorisierten Super 7 nachzufahren (Der liebevoll aufgebaute Irmscher 7 zum Beispiel katapultiert seine 675 kg mit über 300 PS die Paßstrassen hinauf. Die darf er allerdings für den Rest der Mille Miglia ohne vordere Kotflügel bewältigen).

Unsere Italienfahrt hat einen professionellen Hintergrund. Für ein im kommenden Jahr geplantes Buch über den Seven und unsere rasenden Reisen in diesen fliegenden Kisten fehlte noch genau ein Kapitel, das ich schreiben und Jürgen fotografieren musste. Nach unserer materialmordenden Erfahrung auf der zügig bewältigten Strecke der Mille Miglia wird dieses Kapitel rauchende rote Köpfe, völlig unpassende Schlauchschellen, zahllose Rollen Gaffertape, vergebliche Werkstattbesuche und missglückte Notschweissungen enthalten. Und viele derbe Flüche.


Noch ist nur die Verstrebung des rechten Kotflügels abgebrochen.  Noch.

Doch letzendlich sind abgerissene Dreieckslenker, abvibrierte Ölleitungen oder zerplatzte Kühlerschläuche nicht mehr als die Würze in den grandiosen 30 Jahren, in denen wir hinter dem winzigen Steuer diverser Super 7 nicht nur jede einzelne Kurve zwischen Rom und Lissabon kennen und lieben gelernt haben.

Sondern vor allem das adrenalin-geschwängerte Glück, über ungezählte Kilometer hinweg einen so einzigartigen automobilen Geniestreich fahren zu dürfen.

Und, wenn wir einen traurigen Blick in die nahe Zukunft werfen, einen der letzten seiner Art.

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