Kontaktsperre serienmäßig.


Gehört zwar gerade nicht zum Thema, aber: Ist Schwarz eigentlich schon wieder das neue Weiss? Oder war Weiss noch nie das neue Schwarz, wie die Autohersteller uns glauben machen wollten?

Im existentialistisch-schwarzen Einreiher, das glänzend schwarze Haar akkurat geschnitten und sorgfältig zurückgegelt, begleitet mich der höfliche Porsche-Mitarbeiter, der mich früh morgens am Flughafen Stuttgart erwartet, zu einem basaltschwarzen Panamera S.

Wenige Minuten später brabbeln wir niedertourig auf der gewohnt überfüllten Autobahn in Richtung Zuffenhausen. Ehrlich gesagt, ich bin kein großer Freund des Panamera; auch nach einer ausführlichen Gewöhnungsphase steht die Verballhornung der klassischen 911er Form einer wohlwollenden Annäherung meinerseits noch immer störrisch im Weg. Hat man aber erstmal in diesem adipösen Athletiker Platz genommen, verlieren formale Äußerlichkeiten an Bedeutung. Geborgen in einer adaptiv-gedämpften Landschaft aus Luxus und Leder, genieße ich die kurze Fahrt ins Porsche Hauptquartier.

Sogar in einem Porsche und selbst als Beifahrer fällt mir auf, wie sehr mich die Konstruktionsprinzipien eines modernen Automobils von der Außenwelt zu distanzieren vermögen. An diesem wolkenverhangenen Morgen, eingekeilt in eine unaufhörliche Flut von drängelnden Lemmingen, die sich gleich von der Autobahn herunter in die umliegenden Werkshallen und Großraumüros stürzen werden, empfinde ich diese Distanz als durchaus angenehm.

Trotzdem.

Sinneswahrnehmung findet heute nicht mehr nur im Fahrer statt, sondern zunehmend im Auto. Das Automobil von heute hat sich in eine Art Informations-Vorzimmer gewandelt, wo strenge, computerisierte Vorzimmerdamen den Informations-Kurieren aus der Aussenwelt einen direkten Zugang zum Allerheiligsten (oder besser: Allerwertesten) verwehren, um den Nachrichtenstrom über Strassenzustand und Fahrsituation genauestens kontrollieren und nötigenfalls manipulieren zu können, bevor er -um jegliche Unmittelbarkeit beraubt- zum Fahrer durchgelassen wird.

Der autofahrende Mensch, sich als höchster Herr über die Maschine wähnend, bekommt nur noch das mitgeteilt, was der jeweilige Hersteller für mitteilenswert erachtet. Und das ist, was den Direktkontakt zur Umwelt angeht, immer weniger. Vielleicht um von dieser traurigen Tatsache abzulenken, piepst, klingelt, gongt, blinkt und informiert es jetzt immer häufiger und immer penetranter im schwatzhaften Display, vibriert es künstlich im Lenkrad und unterm Hintern. Und sollte Steuermann/frau nicht schnell genug auf "Fahrer, hört die Signale!" reagieren, übernimmt vorsichtshalber der Computer die Kontrolle über Lenkung, Gas und Bremse: Elektronisch generierte Bevormundung als schlechter Ersatz für fahrerische Mündigkeit.

Konsequent in die Zukunft gedacht können Gedanken wie diese durchaus leichte Depressionen hervorrufen. Die Freude, endlich auf das heutige Objekt meiner automobilen Begierde zu treffen, ist deshalb doppelt groß. Denn bei dem mir freundlicherweise zu Testzwecken überlassenen 911 Turbo S handelt es sich um einen fahrdynamischen Stimmungsaufheller: Speedgelb leuchtend lauert er auf dem Vorplatz des Porsche Museums, verspricht bereits im Stand die von mir als abnehmend empfundende Interaktivität zwischen Fahrer, Strasse und Umwelt mit einer lässigen, linkshändigen Zündschlüsseldrehung zu eliminieren.

Es gelingt ihm nicht ganz. Trotz 530 Biturbo-PS, trotz 700 NM Drehmoment, trotz (oder gerade wegen?) Sport- und Sport-Plus-Taste, Launch Control, Torque Vectoring, dynamischen Motorlagern, Allrad und PSM: Selbst im Cockpit eines 911 Turbo S schleicht es sich langsam ein, das Gefühl einer zunehmenden Distanz zum Fahrerlebnis, ein leise spürbarer Verlust von Unmittelbarkeit.

Ich habe den gelben Kraftprotz so gut und so oft es ging von der Leine gelassen: Auf Bundestrassen, auf Autobahnen, auf Kreisstrassen allerletzter Ordnung. Keine Frage, der Turbo S ist ein grandioses Auto, mit Fahrleistungen, die sich im automobilen Alltag kaum mehr realisieren lassen.

Genau das ist der Punkt: Je ungehemmter die Motorleistung erhöht wird, je weiter man sich damit in Richtung Grenzbereich bewegt, desto stärker muss diese schiere Gewalt an allen Ecken und Enden elektronisch gezügelt werden. Ohne jegliches Fahrerassistenzsystem können die aus 530 PS resultierenden Fahrleistungen des 911 Turbo S sicherlich noch von einem Walter Röhrl, aber keinesfalls von einem gemeinen Alltagspiloten ausgereizt werden.

Doch was tun, wenn man nicht zufällig Walter Röhrl heisst?

Bei Porsche gibt beispielsweise fürs gleiche Geld einen ganz normalen 911 S. Ohne Turbo, aber mit ebensoviel Spaß zu fahren. Und für den Rest vielleicht etwas Extravagantes wie den brandneuen Roding, dessen technische Daten eine hochmoderne Umsetzung von fahrdynamischer Unmittelbarkeit versprechen.

Einen Roding?, fragen Sie. Noch nie gehört? Ich werde in der nächsten Woche über ihn berichten.

www.porsche.com/germany/

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