Zuhause auf dem Nürburgring?


(Screenshot GT 5: Daniela Haug)

Im Gegenteil: Seit Weihnachten ist der Nürburgring bei mir zuhause. Eine sehr, sehr gute Fee (Name der Redaktion bekannt) hat mir nämlich eine Playstation 3 mit Gran Turismo 5 beschert - ein Wunsch, den ich zunächst kaum zu äußern wagte. Ein Computerspiel? Für mich? In meinem Alter? Könnte man Kopfschütteln nicht nur ernten, sondern auch verkaufen, ich wäre ein gemachter Mann.

Ich glaube, es war im Sommer, als ich im Netz die ersten GT 5 Vorab-Sequenzen von der Nordschleife gesehen habe. Innerhalb weniger Sekunden war es passiert. Irgendwo in meinem Hippocampus entstieg der Zombie einer totgeglaubten Erinnerung seiner grünen Hölle und feuerte aus allen Synapsen in den frontalen Cortex: Nür!Burg!Ring!

Von da an verging kein Herbst- und Wintertag, an dem ich nicht mit dem höchstpersönlichen Ankauf einer PS3 mit GT5 gedroht habe, sollte sich die Weihnachtsfrau auf diesem Ohr taub stellen. Zu meiner grenzenlosen Freude hat sie meinen Wunsch nicht nur erhört, sondern sogar erfüllt.

Ich bin eine gute Stunde vom Nürburgring entfernt aufgewachsen. Noch vor Erreichen des heiß ersehnten achtzehnten Geburtstags campte ich bereits bei diversen Rennen auf den unterschiedlichsten Lagerplätzen rund um den Ring oder lungerte im damals noch relativ leicht zugänglichen Fahrerlager herum. Kaum hatte ich den Führerschein, stürzte ich mich selbst auf dem Fahrersitz diverser getunter Automobile, die mir von ebenso großmütigen wie mutigen Freunden aus unserem damaligen Rallye- und Racing Club rundenweise zur Verfügung gestellt wurde, in die grüne Hölle. In Alfa Romeo GTJ und GTA, BMW Alpina 2002 tii und Porsche 911 S erfüllte sich für den notorisch klammen Jugendlichen, der ich war, für einige wenige, viel zu kurze Stunden der unerreichbare Traum vom andrenalingeschwängerten Rennfahrerleben. Obwohl mein Herz eher fürs Rallyefahren schlug, übte die Nordschleife eine geradezu magische Anziehung auf mich aus. Die geliehenen Sportwagen und der extrem herausfordernde Streckenverlauf nötigten mir dermassen viel Respekt ab, dass ich, obwohl nicht gerade langsam unterwegs, kein einziges Mal die asphaltierte Umlaufbahn um die Nürburg verlassen habe.

Das passierte erst Jahre später, als ich zur Marine eingezogen wurde. Hamburg, London, Berlin - die Städte, in denen ich seither gelebt habe, waren so weit von der Nordschleife entfernt wie ich von der damals erträumten Rennfahrerkarriere. Nur der Ring, der blieb bei mir. Irgendwie muss er sich unbemerkt in mein junges Fahrerherz geschlichen und diesen Platz nie mehr aufgegeben haben.

Nach langer, langer Zeit habe ich ihn dann wieder besucht, den Ring, in einem Ford-Cosworth-befeuerten Super 7. Kaum waren die ersten Kurven durchfahren, war alles wieder da: die zunehmend feuchten Hände, das Wechselbad der Gefühle und der gehörige Respekt, der mich schon damals über die Nordschleife begleitet hat. Einen Hauch zu spät gebremst, die Ideallinie um eine Marginalie verfehlt, und schon musste ich Kurve um Kurve das Fahren durch Zaubern ersetzen. (Zwischenfrage: Geht das eigentlich, Langsamfahren auf der Nordschleife? Ich hab’s nie probiert.)

Anscheinend ist der Nürburgring mehr als Mythos denn als reale Rennstrecke in meiner Erinnerung geblieben. Der Kurvenverlauf war mir jedenfalls so fremd geworden wie meine damaligen Teamkollegen. Schade eigentlich.

In den letzten Jahren bin ich testweise in vielen Sportwagen auf und abseits abgesperrter Renngstrecken unterwegs gewesen, habe Fahrer-, Drift- und Slalomtrainings absolviert. Doch mangels jahrzehntelanger Renn- und Ringerfahrung bin ich nie zu einem Nordschleifen-Intimus vom Schlage eines Klaus Ludwig oder Olaf Manthey herangewachsen. Nach meinem letzten Nordschleifen-Abenteuer habe ich mir aber geschworen, den Streckenverlauf des Rings wenigstens etwas -etwas!- präziser zu verinnerlichen.

Auftritt Playstation: Seit dem heiligen Abend findet man mich des Nachts relativ oft vor dem HD-Bildschirm, die Konsole in der Hand, die Playstation im AMG-Fahrerlehrgang-Modus, die virtuelle Rennversion des AMG SLS über den nicht minder virtuellen Ring jagend. Und trotz aller Virtualität: Runde für Runde schält sich der Kurvenverlauf immer deutlicher aus der noch immer viel zu nebulösen Erinnerung und gräbt sich Meter für Meter in mein Gedächtnis. Etwas mehr Virtuosität, und mit den erreichten Levels und erfahrenen Preisgeldern kann ich mir dann endlich einen hochmotorisierten Leichtbau kaufen und nach meinen Vorstellungen optimieren, damit mir die spielerische Nordschleifenfahrerei noch mehr Spaß macht.

Noch spult sich die Strecke als Simulation vor meinen Augen ab, aber das wird sich bald ändern. Im Frühjahr gehe ich erneut auf die Nordschleife, wieder in einem Super Seven, wieder verfolgt von Freund Jürgen, der ebenfalls Seven-Pilot und Playstation-Besitzer ist.

Mal sehen, wie die Rundenzeiten dann in der Realität aussehen. Und wie zuhause ich mich wieder auf der Norschleife fühlen kann.

Vor allem, wenn ich demnächst das neue Lenkrad für die PS 3 in Hände halte. Die sehr, sehr gute Fee weiss nämlich, dass ich bald Geburtstag habe.

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